Hier ist eine Geschichte, wie Mensch und Tier glücklich zueinander gefunden haben. Es ist so schön zu sehen, wenn beide, Mensch und Tier, Geduld zeigen und ein Happy End werden kann.
Stellas Geschichte
„Was sind das für komische Menschen? Ganz schön laut die Frau, wenn sie spricht und lacht. Und der Mann hinter ihr, der sagt gar nichts – recht sympathisch.
Ach, hier liegt es sich gut im Schatten auf dem kühlen Boden, wenn bloß diese anderen vielen Katzen und Kater nicht wären. Ich will doch nur meine Ruhe haben.“
Stella rollt sich zufrieden auf den Rücken und schaut in das Blätterdickicht im Katzengarten von Brigitte Susen.
Brigitte ist eine der vielen Katzenmamas bzw. Auffangstationen bei der Tierhilfe Dinslaken-Voerde e.V.
Es laufen viele Katzen und Kater durch die Dachgeschosswohnung und den Garten.
Ein Paradies für die Fellnasen. Außerdem begrüßt uns Anna-Klara, der Haus- und Hofhund der netten Dame.
„Wir interessieren uns für Charlie und Kiri“ stelle ich unser Anliegen vor.
Zwei Stunden sitzen wir bei Brigitte im Wohnzimmer und warten vergebens auf das Geschwisterpaar. Nichts zu machen. Keiner traut sich raus zu uns.
Wir geben auf für heute, aber vielleicht klappt es ja beim nächsten Mal.
Zum Abschluss zeigt uns Brigitte noch den Katzengarten. Ein paar Meter entfernt entdecken wir eine grau getigerte Katze mit türkisfarbenen Augen im Gebüsch versteckt.
„Wer ist das?“ frage ich Brigitte. „Das ist Stella“ antwortet sie, „eines unserer Sorgenkinder. Wir haben sie im Winter 2005 auf dem Friedhof an einer Futterstelle gefunden und sie mitgenommen. Seitdem lebt sie bei mir. Sie fühlt sich hier nicht richtig wohl, denn andere Katzen mag sie nicht so sehr. Am liebsten hat sie ihre Ruhe und ist für sich. Sie entspricht auch vielleicht nicht dem gängigen Schönheitsideal einer Katze und sie hat natürlich auch ihr Alter. Viele Interessenten bewerben sich eher um Jungtiere.“
„Aha. Ich hingegen finde sie wunderschön. Und sie hat das gewisse Etwas“ denke ich. Wir verabschieden uns und fahren nach Hause.
Noch im Auto sage ich zu meinem Mann: „Die graue Katze wird bei uns einziehen.“ Er hält sich bedeckt. Das war im April 2013.
Diese Katze ging mir nicht aus dem Kopf. Diese Augen. Was soll ich sagen? Wenn es die Liebe zu Tieren gibt, dann war ich verliebt. Drei Monate zogen ins Land, ehe Stella bei uns einziehen sollte, aber die Entscheidung stand fest:
Diese Katze sollte es sein und keine andere.
Kratzbäume wurden gekauft, Futter nach Inhaltsstoffen durchleuchtet, Näpfe, Katzenklo, Decken und Matten und Spielzeug lagen im Einkaufswagen – alles was das Katzenherz begehrt und noch viel mehr.
Der 8.6.2013 – Stella zieht ein
„Oh, wie schön. Thunfisch zum Frühstück. Wie nett von Dir, Brigitte… Huch, lass das. Lass mich los. Nein, nicht in das Gitterding. Oh Gott, bitte nicht. Halt! Wo fahren wir hin???“
Brigitte stellt Stella auf den Beifahrersitz und fährt Richtung neues Zuhause.
In der Wohnung ist alles bereit, drei Kratzbäume warten auf unsere neue Mitbewohnerin.
„Ob das nicht zu viel ist?“ kommt der schwache Einwand meines Partners irgendwann. „Alles für die Katze, alles für den Club!“ antworte ich.
Endlich ist sie da. Sehr, sehr schüchtern sieht sie aus und traut sich nicht so recht aus dem Transportkorb raus. Wir wollen sie nicht überfordern. Also warten wir. Ohne dass wir es bemerken, schleicht die Katze klammheimlich ins Schlafzimmer unter das Bett und ward nicht mehr gesehen.
Brigitte verabschiedet sich und wir überlegen, wie wir uns verhalten sollen, so als frischgebackene Katzeneltern.
„Wo bin ich hier? Hier ist alles anders. Hier riecht es anders, hier sieht es anders aus. Da ist doch wieder die laute Frau. Wo kann ich mich verstecken? Wo kann ich in Deckung gehen?“
Wir stellen der Katze für die Nacht Futter, Wasser und das Katzenklo in Reichweite.
Sobald wir uns nähern, gibt es ein Fauchkonzert. Okay, also Rückzug.
6 wirklich lange Wochen bemerken wir nur an Nasenabdrücken an den Fenstern, leeren Näpfen und den Hinterlassenschaften im Klo, dass wir eigentlich einen Stubentiger haben. Eigentlich.
Also warten wir geduldig ab. Wir gehen immer mal wieder auf sie zu, bieten ihr Leckerchen an und reden mit ihr. Zugegebenermaßen ziemlich erfolglos. Aber wir bleiben zuversichtlich.
„Wie komme ich wieder nach Hause? Hier muss doch irgendwann mal ein Fenster offen stehen. Oder eine Tür. Das wäre noch besser. Biofutter, was für ein Mist. Das schmeckt nicht. Hätte nie gedacht, dass ich das mal sage, aber es war schon schön im Katzengarten. Der Mann hier ist cool. Der lässt mich wenigstens in Ruhe. Aber die laute Frau. Jeden Abend sitzt sie vor meinem Versteck und erzählt mir, wie ihr Tag war. Als ob mich das juckt.“
Kurz darauf sind wir für 10 Tage in Urlaub gefahren und haben Stella zur Urlaubsvertretung zu Brigitte in den Katzengarten gebracht.
„Och bitte Freunde, nicht schon wieder die Transportbox. Ich möchte das alles nicht! Ich mach hier gleich einen auf Katzenjammer hoch 10. Dass wir das verstehen!
Oh, das kenn ich doch. Hier riecht es vertraut. Ähm, vertraut nach vielen anderen Katzen. Jetzt muss ich wohl wieder meinen Schlafplatz und meine Leckerlies verteidigen. Uncool! War vielleicht doch gar nicht so schlimm bei der lauten Frau und dem Mann, der nicht viel spricht.“
Stella hat uns schon erwartet, als wir sie nach unserem Urlaub wieder einsammeln wollten. Wie selbstverständlich ist sie aus der Transportbox die Treppe hoch ins Dachgeschoss und dann in ihr Versteck getrippelt.
„Da bin ich also wieder, die Wohnung für mich. Die laute Frau und der stille Mann haben mich ja ganz schön lange alleine gelassen. Ob das zwischen uns wohl funktionieren könnte? Vielleicht probiere ich es mal mit ein wenig Nähe beim nächsten Mal. Eigentlich sind ja beide ganz okay.“
Der schönste Moment war, als ich mich wieder eines Abends ein paar Meter vor ihr versteckt gesetzt hatte und sie mit Futter locken wollte.
Dieser Abend war besonders. Tatsächlich. Schritt für Schritt ist sie ganz vorsichtig auf mich zugekommen. Wie eingangs schon geschrieben, interessierte sie sich eher wenig für meine Lebensgeschichte, aber offensichtlich fand sie Geschmack an unserem Putenbrustaufschnitt.
Der Bann war gebrochen. Wir akzeptierten uns. Sie schmiegte sich an mich, hat ihr Köpfchen an mir gerieben und geschnurrt was das Zeug hält. Was für ein schönes Erlebnis.
Zwei weitere Wochen hat es gedauert, bis sie mutig genug war, die Wohnung auch in unserem Beisein zu erkunden.
Sobald sie Geräusche hörte, verschwand sie gleich wieder in ihr Versteck hinter den Regalen. Fernbedienungen und Telefone waren ihr in der ersten Zeit ein Graus. Ich habe mir oft gewünscht, zu wissen, was dem Tier passiert ist. Dann wäre vieles einfacher. Aber ich kann mit absoluter Sicherheit behaupten, dass ich keinen einzigen Tag bereue.
Ich habe mich durch nichts und niemanden beirren lassen. Ich kann gar nicht zählen, wie oft mir abgeraten wurde, die Katze zu behalten, dass es doch alles keinen Zweck hat und man sich junge Katzen ja noch zurecht erziehen kann.
Es hat wahnsinnig viel Geduld erfordert, das Vertrauen der Katze zu gewinnen, aber es hat sich gelohnt. Natürlich wäre es schöner, wenn Tiere sich vom ersten Moment an streicheln lassen und anhänglich sind. Wir wissen in den seltensten Fällen, was den Miezen zugestoßen ist und warum sie so reagieren wie sie reagieren.
Aber fast jedes Problem ist lösbar. Und jedes Tier verdient eine zweite Chance. Das ist auch der Grund, warum wir uns für ein älteres Tier entschieden haben.
Wie gesagt, wir – der stille Mann und die laute Frau – haben keinen einzigen Tag bereut.